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Interview mit Cornelia Goldstein von NeW: „Die Corona-Krise ist eine Frauen-Krise“

© NeW, Cornelia Goldstein


Die drei Buchstaben NeW stehen für das Netzwerk Wiedereinstieg, ein Verbund aus sieben Trägern an fünf Standorten in Hessen. Bereits seit 2009 begleitet das Netzwerk Frauen beim beruflichen Wiedereinstieg. Wir sprachen mit Cornelia Goldstein, Koordinatorin des Netzwerks, über das Angebot von NeW sowie über die Herausforderungen und Lehren der Corona-Pandemie. 

Was genau macht das Netzwerk Wiedereinstieg?

Das lässt sich ganz einfach zusammenfassen: Das Netzwerk unterstützt Frauen mit einem breiten Angebot an Qualifizierung, Beratung und Coaching beim Wiedereinstieg in den  Beruf. Wir erleben immer wieder, dass Frauen aufgrund von Familienzeiten, die Betreuung von Angehörigen, Krankheit oder Migration für einige Zeit aus dem Berufsleben ausscheiden. Möchten diese Frauen dann nach einigen Jahren wieder in den Arbeitsmarkt zurückkehren, stehen sie oft vor zahlreichen Herausforderungen und Hürden. Das können die fortgeschrittene Digitalisierung der Arbeitswelt sein, die an ihnen vorbeigegangen ist, oder aber auch fehlende Sprachkenntnisse. Je nach Standort und Zielgruppen  haben die Träger ganz unterschiedliche Angebote. beramí z.B. hat überwiegend die gut qualifizierten Migrantinnen im Fokus, Wiesbaden betreut Frauen mit und ohne Migrationshintergrund und Rüsselsheim etwa hat eher niedrigschwellige Angebote. 

Für die Förderperiode 2018/2019 wurde vom Hessischen Ministerium für Soziales und Integration der Schwerpunkt auf die Themenbereiche „Digitales Lernen“ und „Berufsbezogene Deutschförderung“ gelegt. Das kam uns sehr entgegen, da wir festgestellt haben, dass viele der Wiedereinsteigerinnen zwar gut qualifiziert sind und schon Berufserfahrung, gute Abschlüsse oder Fremdsprachenkenntnisse mitbringen, aber oft nicht über die von Arbeitgebern geforderten Deutschkenntnisse verfügen. Wir haben uns vorgenommen, die Frauen fit zu machen für die transformierte Arbeitswelt, das heißt, z.B. zu vermitteln, wie man mit digitalen Lernplattformen und Video-Konferenz-Systemen umgeht, zielgerichtet im Internet recherchiert oder Social Media bedient. Darüber hinaus haben wir aber natürlich auch die immer wieder nachgefragten klassischen Themenbereiche wie MS-Office oder Bewerbungstraining im Angebot und die begleitende Beratung und das Coaching der erfahrenen Kolleginnen.

Wie muss man sich den Lernalltag vor Ausbruch der Corona-Pandemie vorstellen?

Wir setzen bereits seit 2018 digitales Lernen für die Qualifizierung der Teilnehmerinnen ein. Hierfür nutzen wir das Konzept „Blended Learning“, das heißt, es werden Präsenzunterricht und digitales Lernen gleichermaßen angeboten. Dazu haben wir eine eigene Lernplattform namens ILIAS und das Online-Konferenz-Tool Vitero eingeführt. Dass wir auf diesen Plattformen eng zusammenarbeiten, uns austauschen und diese Plattformen als Team gemeinsam weiterentwickeln konnten, war für uns eine große Chance. Das Tolle an diesen digitalen Instrumenten ist der doppelte Nutzen, den sie bieten: einerseits vermitteln wir darüber die Lerninhalte, gleichzeitig üben die Frauen mit diesem Medium umzugehen, d.h., sie erwerben parallel auch Medienkompetenzen, die sie später im Beruf benötigen.

Die Auswahl, Gestaltung und Einführung dieser digitalen Plattformen war wirklich harte Arbeit. Wir hatten nur sehr wenig Erfahrung damit und mussten uns in Schulungen erst einmal das entsprechende Know-how draufschaffen. Jetzt können wir aber von Glück sagen, dass wir schon vor Corona dermaßen digital unterwegs waren. 

Eine gute Überleitung: Wie hat Corona ihre Arbeit verändert? Welche Herausforderungen bestehen für Sie?

Wie gesagt, die Tatsache, dass wir schon 2018 begonnen haben digital zu arbeiten, macht in der aktuellen Krise vieles leichter. Wir mussten nicht, wie viele andere, alles neu zusammensuchen. Wir waren gleich startklar. Aber natürlich gab und gibt es auch für uns noch viel zu tun. Immer wieder entstehen neue Ideen, wie der Austausch und das Lernangebot optimiert werden können oder wie der Inhalt für die Teilnehmerinnen noch interessanter aufbereitet werden kann. Es ist wirklich schön zu sehen, wie motiviert und kreativ alle dabei sind und diese neuen Herausforderungen voller Engagement angehen. 

Besonders hart getroffen haben uns aber die ersten Tage des Shutdowns. Z.B. mussten wir innerhalb kürzester Zeit  aus einer fertig organisierten Präsenzveranstaltung eine digitale Veranstaltung machen. Zum Glück waren dann alle Teilnehmerinnen wieder an Bord. Das war schon ein enormer Aufwand und ein Hoffen und Bangen, ob alles klappt.

Gibt es da nicht auch hin und wieder technische Schwierigkeiten?

Durchaus. Das fängt schon alleine damit an, dass wir für unser Online-Seminar-Tool Vitero nur begrenzte Kapazitäten haben. Der ursprüngliche Bedarf lag bei einer einzigen Veranstaltung pro Termin. Jetzt brauchen wir mindestens das Doppelte, daher haben wir eine Erweiterung der Kapazitäten beantragt. Das zeigt aber, dass auch wir nicht um alternative Anbieter wie Zoom und Skype herum kommen. 

Dann gibt es da natürlich auch noch die technischen Probleme bei einzelnen Teilnehmerinnen. Viele der Frauen müssen sich zu Hause den einzig vorhandenen Laptop mit den Kindern teilen. Andere hatten Schwierigkeiten beim Anmelden oder Einrichten der Online-Tools oder die Internetverbindungen waren schlicht nicht stabil genug. Da gab es schon einige Stolpersteine und wir haben über das Telefon IT-Support geleistet bzw. mussten den Support der Dienstleister in Anspruch nehmen. Das war wahnsinnig aufwendig, aber wir haben uns alle gegenseitig unterstützt und es hat sich mehr als gelohnt. Wir sind mittlerweile soweit, dass wir an einigen Standorten fast unser ganzes NeW-Angebot digital anbieten können. 

Der Kontakt zu den Frauen hat für uns immer oberste Priorität. Selbst wenn die Teilnahme an Online-Seminaren aus den unterschiedlichsten Gründen nicht möglich ist, halten wir den Dialog mit den Frauen immer aufrecht – und wenn es einfach nur über das Handy ist. Das ist sehr wichtig. Die Frauen müssen wissen, dass wir für sie da sind und sie mit den verfügbaren Mitteln unterstützen. BerufsWege für Frauen in Wiesbaden z.B. haben ein neues Coaching-Format namens „Walk & Talk“ entwickelt. Dabei geht die Kollegin mit Abstand mit den Frauen spazieren und berät bzw. coacht sie. Das funktioniert gut und die Frauen freuen sich über diese innovative Form.

Welche Lehren oder Erkenntnisse ziehen Sie aus der Corona-Pandemie?

Wir stellen fest, dass diese Krise eine Krise der Frauen ist. In den meisten Fällen bleiben Kinderbetreuung und Homeschooling den Frauen überlassen. Sie müssen sich um die Familie kümmern, den Haushalt schmeißen und gleichzeitig in teils beengten Verhältnissen von zu Hause aus arbeiten oder sich weiterbilden. Die Frauen sind die Verliererinnen der Krise, die Corona-Pandemie bedeutet für sie einen immensen Rückschritt. Das ist höchst dramatisch. Einige  Frauen berichten uns, dass sie ihre Weiterbildungen zurückfahren oder aufgeben. Ehemalige Teilnehmerinnen, die aktuell im Job sind, erklären, dass sie diesen Mehrfach-Belastungen nicht mehr gewachsen sind und sogar ihre Jobs kündigen.

Hier setzen wir an. Wir tun alles, um die Frauen zu halten und sie zu unterstützen. Frauen dürfen nicht in Vergessenheit geraten. Das ist unser großer Appell an die Politik und die Gesellschaft. Es braucht gerade jetzt weitreichende Programme für Frauen, um sie aus dieser schwierigen Lage wieder rauszuholen.

Es lassen sich aber auch durchaus positive Nebeneffekte feststellen: So mussten die Frauen lernen, ins kalte Wasser zu springen und sich den Herausforderungen zu stellen, sich selbst zu organisieren und sich ihre verfügbare Zeit optimal einzuteilen. Das hat oft gut funktioniert und hat viele der Frauen enorm motiviert und gestärkt.

Was erwarten Sie in den kommenden Wochen und Monaten? Wie wird sich die Situation auf die weitere Arbeit Ihres Netzwerks auswirken?

Zunächst einmal bin ich optimistisch und auch sehr stolz auf die Teilnehmerinnen. Viele von ihnen setzen alles daran, trotz der erwähnten Mehrbelastungen, am Ball zu bleiben. Einige sitzen dann eben mit ihren Kindern im Arm vor den Rechnern und versuchen den Online-Seminaren zu folgen. Das unterstreicht ihren Willen und ihr Engagement.

Die Frage ist aber schon, wie es in Zukunft weitergeht. Wir gewinnen unsere Teilnehmerinnen u.a. auf Veranstaltungen und Börsen, leider finden diese Veranstaltungen zurzeit nicht statt. Hinzu kommt, dass die Teilnehmerinnen aus dem persönlichen Austausch am Rande der Kurse unglaublich viele Informationen, aber auch Kraft schöpfen. Diese Gruppendynamik ist von immenser Wichtigkeit für die Frauen. Wenn das noch auf längere Zeit weg fällt, dann fehlt den Teilnehmerinnen zweifelsohne eine wichtige Stütze. Auch uns fehlt das sehr! Mittlerweile können wir immerhin wieder – wenn auch deutlich abgespeckt – einige Präsenzveranstaltungen unter Einhaltung der Hygieneregeln durchführen.

Wirkt sich Corona auch finanziell auf Ihr Netzwerk aus?

Wir haben von der Referatsleitung im Hessischen Ministerium für Soziales und Integration sehr schnell die Zusicherung bekommen, dass uns die zugesagten Fördermittel auch zur Verfügung stehen werden – vorausgesetzt natürlich, dass wir weiterhin alle Anforderungen erfüllen. Für diese Planungssicherheit sowie für das uns entgegengebrachte Vertrauen sind wir sehr dankbar. 

Mit Blick auf die Zukunft sind wir aber schon etwas in Sorge. Zum einen wissen wir noch nicht, wie es mit der finanziellen Ausstattung des ESF generell weitergeht. Darüber hinaus ist ja auch immer die Kofinanzierung ein wichtiges Thema. Bei uns sind das z.B. auch  kommunale Mittel. An dieser Stelle wissen wir nicht, wie es weitergehen wird.
 

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